Unsichtbare Hochbegabung ....
- Dr. Birgit Wegerich-Bauer
- 22. Aug. 2024
- 12 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 9. Jan.

Hinter dem schillernden Begriff der Hochbegabung verstecken sich oft komplexe Herausforderungen und Missverständnisse, die sowohl das Leben der Betroffenen als auch das ihrer Umgebung stark beeinflussen können. Dabei geht es nicht nur um außergewöhnliche intellektuelle Fähigkeiten, sondern auch um das eigene Erkennen, gegenseitiges Verstehen und entsprechende Wertschätzung. Hochbegabung ist daher ein facettenreiches Phänomen, das weit über das Klischee des „Nerds“ hinausgeht und eine tiefere Auseinandersetzung erfordert.
DIE VIER KATEGORIEN DER HOCHBEGABUNG
Ein Versuch zu mehr Sichtbarkeit:

Zu 1. Der Gruppe von hochbegabte Höchstleistende
(sichtbar)
Die Gruppe der hochbegabten Höchstleistenden zeichnet sich durch ihre Fähigkeit aus, ihr außergewöhnliches kognitives Potenzial vollständig zu nutzen und in beeindruckende schulische Leistungen umzusetzen. Diese Kinder und Jugendlichen entsprechen dem gängigen Idealbild von Hochbegabten, was dazu führt, dass sie von Lehrern, Eltern und anderen Bezugspersonen schnell als solche erkannt werden. Sie sind sichtbar!
In der Schule sind sie häufig in der Lage, die Aufgabenanforderungen schnell zu verstehen und entsprechende Antworten zu geben, die den Vorgaben und der Erwartung der Lehrkräfte entsprechen. Ihr Lernverhalten ist oft geprägt von einer ausgeprägten sichtbaren Neugier und einem starken inneren Antrieb, ihr Wissen ständig zu erweitern und sich intellektuell weiterzuentwickeln.
In ihrem schulischen Umfeld erfahren hochbegabte Höchstleistende oft Anerkennung und Unterstützung. Lehrerkräfte schätzen sie für ihre außergewöhnlich guten Leistungen und ihren Beitrag zum Unterricht. Diese Wertschätzung trägt zusätzlich dazu bei, dass sie motiviert bleiben und ihre Fähigkeiten weiterentwickeln.
Ein charakteristisches Merkmal dieser Gruppe ist ihre Offenheit für Fördermaßnahmen. Sie profitieren besonders von speziellen Bildungsangeboten, wie zum Beispiel der Teilnahme an Begabungsförderprogrammen oder der Möglichkeit, an Projekten außerhalb des regulären Lehrplans mitzuwirken. Diese Maßnahmen unterstützen sie darin, ihr Potenzial weiter auszubauen und ihre besonderen Fähigkeiten optimal zu entfalten.
Meist zeigen diese Kinder und Jugendlichen nicht nur herausragende Leistungen in den gängigen Fächern, sondern streben oft danach, auch über den Unterricht hinaus zusätzliche Herausforderungen zu suchen, sei es durch Teilnahme an Wettbewerben, das Lesen anspruchsvoller Literatur oder das Erlernen neuer Fähigkeiten, z.B. das Erlernen von Musikinstrumenten. Diese Kinder und Jugendlichen scheinen in der Regel sehr selbstständig, organisieren ihr Lernen eigenständig und setzen sich ambitionierte Ziele.
Dennoch darf nicht übersehen werden, dass auch diese Gruppe auf Herausforderungen stößt, die es zu berücksichtigen gilt. Trotz ihrer beeindruckenden sichtbaren Begabung sind hochbegabte Höchstleistende nicht vor Problemen gefeit. Einer der zentralen Stressfaktoren ist der Leistungsdruck, der aus verschiedenen Quellen stammen kann. Oft setzen sich diese Kinder und Jugendlichen selbst unter Druck, weil sie den hohen Erwartungen, die sie einerseits an sich selbst stellen und andererseits durch ihre hohe wahrnehmende Sensibilität auch von außen spüren, gerecht werden wollen. Der Wunsch, stets die besten Ergebnisse zu erzielen, auch um die „eigene Hochbegabung“ bestätigt zu wissen, kann zu einer ständigen Angst vor dem Versagen führen. Diese Angst kann nicht nur die Freude am Lernen beeinträchtigen, sondern zu dauerhaftem Hochleistungsstress führen, der sich in Schlafstörungen, Konzentrationsproblemen oder psychosomatischen Beschwerden äußern kann.
Ein weiteres Problemfeld betrifft das soziale Miteinander. Hochbegabte Höchstleistende unterscheiden sich oft in ihren Interessen und Fähigkeiten von ihren gleichaltrigen Mitschüler:innen, was zu Gefühlen der Isolation oder des Andersseins führen kann. Sie finden möglicherweise schwerer Anschluss oder fühlen sich missverstanden, insbesondere wenn ihre Mitschüler:innen ihre intellektuellen Fähigkeiten als bedrohlich empfinden oder sie als „Streber“ abstempeln. Da viele hochbegabte Höchstleister:innen auch hochsensible sind kann dies schon früh zu Mobbingerfahren führen, welche wiederum das soziale Wohlbefinden und die psychische Gesundheit der Betroffenen stark beeinträchtigen kann.
Auch das Verhältnis zu Lehrkräften und Eltern kann gefühlt ambivalent sein. Während die Bezugspersonen oft hohe Erwartungen an die Leistungen dieser Kinder und Jugendlichen (auch unbewusst und unbeabsichtigt) haben, können sie damit Überforderungsempfinden auslösen egal ob die Leistungen den Erwartungen entsprechen oder nicht. Ein vorübergehendes Absinken der schulischen Leistungen oder das Ausbleiben der gewohnten Bestnoten kann dann zu Enttäuschung und Druck führen, was die Beziehung belasten und das Selbstwertgefühl des Kindes oder Jugendlichen beeinträchtigen kann.
Ein weiteres Risiko, dem hochbegabte Höchstleistende ausgesetzt sind, ist das sogenannte „Imposter-Syndrom“, bei dem sie trotz objektiver Erfolge das Gefühl haben, ihre Leistungen seien nicht wirklich verdient. Sie neigen dazu, ihre Erfolge auf äußere Umstände wie Glück oder Zufall zu schieben und haben Angst, als „Hochstapler:in“ entlarvt zu werden. Dieses Syndrom kann das Selbstwertgefühl nachhaltig beeinträchtigen und die Freude an den eigenen Erfolgen schmälern.
Zuletzt besteht die Gefahr, dass die Hochbegabung dieser Kinder und Jugendlichen in einem engen Fokus auf klassische schulische Leistung begrenzt wird. Dabei sind es oft die übergreifenden Fragen aus Bereichen der Philosophie oder Metaphysik sowie Ethik und Soziologie die diese Kinder und Jugendlichen stark beschäftigen und die sie nicht adressieren können. Diese Fragen, die schon in frühster Kindheit auftauchen können, werden meist vom sozialen Umfeldignoriert und bleiben für die Kinder dramatischerweise unbeantwortet. Sie fühlen sich alleine gelassen und müssen diese Fragen mit sich selbst ausmachen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass hochbegabte Höchstleistende zwar viele beeindruckende Fähigkeiten und Talente besitzen, jedoch auch mit spezifischen Herausforderungen konfrontiert sind. Es ist von großer Bedeutung, dass diese Kinder und Jugendlichen nicht nur fachspezifisch, sondern auch ganzheitlich intellektuell als auch emotional und sozial unterstützt werden. Ein ganzheitlicher Ansatz, der ihre vielfältigen Bedürfnisse berücksichtigt, ist entscheidend, um ihnen zu helfen, ihre besonderen Begabungen zu verstehen und sich nachhaltig und gesund zu entwickeln.
Zu 2. Hochbegabt und unauffällig und unproblematisch
(unsichtbar)
Die Gruppe der hochbegabten, unauffälligen und unproblematischen Kinder und Jugendlichen stellt eine besondere Herausforderung dar, da sie oft unter dem Radar der schulischen und familiären Aufmerksamkeit bleiben. Diese Kinder und Jugendlichen zeichnen sich dadurch aus, dass sie weder durch herausragende schulische Leistungen noch durch auffälliges Verhalten in Erscheinung treten. Sie haben ein außergewöhnliches Talent zur Anpassung entwickelt, sodass sie sich scheinbar nahtlos in das schulische Umfeld einfügen. Ohne sich dessen besonders bewusst zu sein, finden sie Wege, ihre Hochbegabung so zu verbergen, dass sie kaum ins Blickfeld geraten. Ihre hohe Wahrnehmungsgabe und ihre Fähigkeit sich anzupassen, ermöglichen es ihnen, den schulischen Alltag ohne größere Schwierigkeiten zu meistern – zumindest nach außen hin. Ihre Leistungen sind in der Regel durchschnittlich bis gut, jedoch nicht herausragend, was dazu führt, dass weder Lehrkräfte noch Eltern Verdacht schöpfen, dass mehr in ihnen stecken könnte, und ihre Hochbegabung somit unentdeckt bleibt.
Obwohl sie als unproblematisch eingestuft werden, bergen diese Kinder und Jugendlichen dennoch ein großes Risiko: Sie gehören, wie die zwei weiteren Gruppen zu den sogenannten „Underachievern“. Das bedeutet, dass ihre schulischen Leistungen weit hinter ihrem eigentlichen Potenzial zurückbleiben. Sie haben sich an die Anforderungen angepasst, oft aus dem unbewussten Wunsch heraus, nicht aufzufallen oder den sozialen Erwartungen zu entsprechen. Diese Fähigkeit zur Anpassung hat jedoch meist einen hohen Preis. Langfristig führt sie dazu, dass diese Kinder und Jugendlichen in einem Zustand der gleichzeitigen Über- als auch Unterforderung verharren. Auf der einen Seite sind sie unterfordert, da Langeweile und unzureichende Herausforderungen zu einem Verlust der Lern- und Lebensfreude führen. Auf der anderen Seite ist die ständige Anpassung an ein Niveau, das unter ihrem Potenzial liegt, mental anstrengend und ermüdend. Der Versuch, den Erwartungen ihrer Umgebung gerecht zu werden, kann dazu führen, dass sie sich selbst überfordern, indem sie ihre wahren Bedürfnisse und Interessen unterdrücken.
Dieser Zustand der Über- und Unterforderung kann tiefgreifende und langfristige Auswirkungen auf ihre emotionale und psychische Gesundheit haben. Die Unterforderung durch das fehlende intellektuelle Niveau und die mangelnden Herausforderungen führt dazu, dass sie nicht die Möglichkeit haben, sich selbst zu erkennen und ihre Fähigkeiten voll zu entfalten. Die Überforderung, die durch die ständige, meist unbewusste Selbstkontrolle und Anpassung entsteht, kann hingegen zu Stress, innerer Unruhe und einem Gefühl der Entfremdung von sich selbst führen. Diese Kinder und Jugendlichen müssen kontinuierlich Energie darauf verwenden, sich anzupassen und ihre Fragen und Fähigkeiten angemessen zu formulieren, was sie emotional und psychisch stark belasten kann. Darüber hinaus kann der ständige Zustand der inneren Spannung zwischen Unter- und Überforderung dazu führen, dass diese Kinder und Jugendlichen sich von der Schule, dem Lernen sowie von sich selbst und dem Leben insgesamt entfremden.
Ein weiterer Aspekt ist in diesem Zusammenhang wichtig zu erwähnen. Gerade diese Kinder und Jugendlichen lernen meistens nicht, mit echten Herausforderungen umzugehen. Da sie nicht auffallen, werden sie häufig übersehen, wenn es um spezielle Fördermaßnahmen geht. Dadurch passen sie sich ständig an ein Niveau an, das unter ihrem Potenzial liegt. Somit fehlt ihnen die Gelegenheit, sich mit anspruchsvollen Aufgaben auseinanderzusetzen, die sie wirklich fordern und zu ihrer persönlichen Entwicklung beitragen. Dies kann dazu führen, dass sie in späteren Lebensphasen, wenn sie mit komplexeren und anspruchsvolleren Situationen konfrontiert werden, nicht über die notwendigen Strategien und das entsprechende Selbstbewusstsein verfügen, um diese erfolgreich zu bewältigen.
Diese Kinder und Jugendlichen durchlaufen, wie beschrieben, die Schule meistens ohne besondere äußere Vorkommnisse und erlangen in der Regel einen durchschnittlichen Schulabschluss. Viele dieser Schüler:innen entscheiden sich nach der Schule für etwas „Sicheres“, wie beispielsweise einer Verwaltungsausbildung oder einem BWL-Studium. Doch da diese Berufswahl letztlich nicht passend ist, folgen im späteren Leben häufige Studien- und/oder Arbeitsplatzwechsel. Infolge jahrelanger Anpassung und der damit einhergehenden Erschöpfungszustände neigen diese „unproblematischen, unerkannten Hochbegabten“ im späteren Erwachsenenalter dazu, an Depressionen zu erkranken. Stationäre Klinikaufenthalte, häufige Therapeutenwechsel und unterschiedlichste Diagnosen prägen ihren Krankheitsverlauf. Um sich selbst zu verstehen, gelangen viele von ihnen nach langen und oftmals mühsamen Recherchen über das Thema der Hochsensibilität schließlich zur Erkenntnis ihrer Hochbegabung. Diese Erkenntnis wird von vielen wie eine Neugeburt empfunden und beschrieben.
Zu 3: Hochbegabt und unauffällig, aber problematisch
(sichtbar unsichtbar)
In unserer Gesellschaft gibt es eine Gruppe von Kindern und Jugendlichen, die trotz ihrer außergewöhnlichen intellektuellen Fähigkeiten oft falsch diagnostiziert wird. Diese hochbegabten jungen Menschen zeigen keine herausragenden schulischen Leistungen, was dazu führt, dass ihre Hochbegabung oft unerkannt bleibt. Stattdessen fallen sie durch andere, besorgniserregende Verhaltensweisen oder Probleme auf, die tiefere Probleme signalisieren.
Ein besonders auffälliges Merkmal dieser Kinder und Jugendlichen ist das häufige Fehlen in der Schule. Dieses Fehlen wird oft durch gesundheitliche Beschwerden erklärt, die bei näherer Betrachtung keinen klaren medizinischen Ursprung haben. Zu den häufig geäußerten Symptomen gehören Bauchschmerzen, Kopfschmerzen und Übelkeit. Diese Beschwerden sind typische Zeichen erster psychosomatischer Erkrankungen, bei denen körperliche Symptome als Ausdruck psychischer Belastungen auftreten. In vielen Fällen sind diese Symptome die ersten Anzeichen einer tieferen Unzufriedenheit oder eines Gefühls der Nichtpassung, das diese Kinder und Jugendlichen in ihrer schulischen Umgebung empfinden.
Für hochbegabte Kinder kann das schulische Umfeld eine Quelle tiefen Unbehagens sein, insbesondere wenn sie sich intellektuell unterfordert oder vom sozialen Umfeld nicht verstanden fühlen. Das Gefühl, anders zu sein als die Altersgenossen, ist bei diesen Kindern stark ausgeprägt. Sie nehmen intuitiv wahr, dass sie sich in vielerlei Hinsicht von ihren Mitschüler:innen unterscheiden, sei es in ihrer Denkweise, ihren Interessen oder ihrer Art und Weise, die Welt zu verstehen. Doch obwohl sie dieses Anderssein spüren, fällt es ihnen oft schwer, ihre Gefühle und Gedanken in Worte zu fassen. Dies führt zu einem inneren Konflikt, der sich körperlich äußern kann, insbesondere wenn das Umfeld – sowohl schulisch als auch familiär – nicht in der Lage ist, ihre besonderen Bedürfnisse zu erkennen und nachzukommen.
Dieser innere Konflikt wird noch verstärkt, wenn ihre Beschwerden nicht ernst genommen werden. Oft wird den Aussagen dieser Kinder nicht geglaubt, weil die Symptome keine klare körperliche Ursache haben. Stattdessen werden ihre Probleme bagatellisiert und als übertrieben oder sogar als erfunden abgetan. In einigen Fällen erfahren diese Kinder auch Mobbing durch Mitschüler:innen oder auch durch Lehrkräfte, die ihr Verhalten als störend oder unangemessen wahrnehmen, anstatt es als Ausdruck tiefer liegender Probleme zu erkennen. Das Gefühl gerade von Lehrkräften nicht verstanden oder gar abgelehnt zu werden, verstärkt das Empfinden der Nichtpassung und kann zu einer Verschlimmerung der psychosomatischen Symptome führen.
Wenn diese innere Unzufriedenheit und das Gefühl, nicht angenommen zu werden, über längere Zeit bestehen bleiben, suchen einige dieser Kinder und Jugendlichen nach extremen Mitteln, um mit ihrem emotionalen Schmerz und dem inneren Druck umzugehen. Eine solche Bewältigungsstrategie kann z.B. die Entwicklung von selbstverletzendem Verhalten sein. Das Ritzen der Haut, das Auftreten von Essstörungen wie Bulimie oder das bewusste Zufügen von Schmerzen sind alarmierende Zeichen dafür, dass diese Kinder verzweifelt versuchen, Kontrolle über ihre Situation zu erlangen. Für sie bieten diese schmerzhaften Handlungen eine Möglichkeit, den emotionalen Druck abzubauen und ihre Existenz auf eine greifbare, wenn auch destruktive Weise zu bestätigen. Sie spüren den Schmerz und empfinden ihn als real, was ihnen ein Gefühl der Kontrolle und der Selbstwahrnehmung gibt, etwas, was ihnen sonst in ihrem Leben verwehrt bleibt.
Die psychischen Belastungen, denen diese hochbegabten Kinder und Jugendlichen ausgesetzt sind, können den Zustand im Laufe der Zeit weiter verschlimmern, wenn die zugrunde liegenden Probleme nicht erkannt und behoben werden. Die Diskrepanz zwischen ihrem intellektuellen Potenzial und der Realität, in der sie leben, kann sich zu einem schwerwiegenden Problem entwickeln, das sich in ernsthaften psychischen Störungen manifestiert. Depressionen sind eine häufige Folge, wenn diese Kinder das unausgesprochene Gefühl entwickeln, dass sie niemals in der Lage sein werden, ihre Fähigkeiten und ihr Potenzial voll auszuschöpfen. Angststörungen können auftreten, wenn die Furcht vor dem Versagen oder der Nichtpassung so überwältigend empfunden wird, dass sie ihre täglichen Aktivitäten beeinträchtigt. In extremen Fällen kann sich die Situation zu Psychosen verschlimmern, bei denen das Kind oder der Jugendliche den Bezug zur Realität verliert und in eine eigene, von Angst und Verzweiflung geprägte Welt abdriftet.
Diese psychischen Erkrankungen beeinträchtigen nicht nur das gegenwärtige Wohlbefinden der betroffenen Kinder und Jugendlichen, sondern können auch langfristige Auswirkungen auf ihre Entwicklung und spätere Lebensqualität haben. Ohne die richtige Unterstützung laufen diese Kinder Gefahr, in einen Teufelskreis aus Selbstzweifeln, Angst und Isolation zu geraten. Es ist daher von entscheidender Bedeutung, dass Eltern, Lehrer und Fachkräfte in der Kinder- und Jugendbetreuung ein tiefes Verständnis für die Bedürfnisse dieser hochbegabten Kinder entwickeln und sensibel auf die subtilen Anzeichen reagieren, die auf eine Hochbegabung hinweisen könnten, auch wenn diese nicht durch herausragende schulische Leistungen sichtbar wird. Nur durch eine rechtzeitige und angemessene Unterstützung können diese Kinder die Hilfe erhalten, die sie benötigen, um sich zu verstehen und positive Selbsterfahrungen zu machen.
Zu 4: Hochbegabt und auffällig und problematisch
(sichtbar unsichtbar)
Die vierte Gruppe hochbegabter Kinder und Jugendlicher wird durch ihr aggressives Verhalten definiert, das ihre außergewöhnlichen Fähigkeiten vollkommen verdeckt. Diese Schüler:innen erscheinen im schulischen Kontext nicht als talentiert oder begabt, sondern als Störenfriede, die durch impulsive, oppositionelle oder aggressive Verhaltensweisen auffallen. Ihre außergewöhnliche intellektuelle Begabung wird dadurch nicht nur übersehen, sondern häufig überhaupt nicht in Betracht gezogen.
Das aggressive Verhalten dieser Kinder ist ein Ausdruck tiefer innerer Not. Schon früh müssen sie erleben, dass sie scheinbar nicht in der Lage sind, ihre Bedürfnisse, Gedanken und Gefühle so zu vermitteln, dass ihr Umfeld sie versteht. Sie erfahren häufig, dass das, was sie ausdrücken möchten, von Lehrkräften, Mitschüler:innen, Geschwistern oder Eltern nicht richtig aufgegriffen oder völlig missverstanden wird. Ihre Denkweisen und Anliegen sind oft komplexer und tiefergehender, als ihr soziales Umfeld erfassen kann, und ihre Versuche, diese zu kommunizieren, führen immer wieder und zu andauernder Frustration. Dieses Gefühl des Nicht-Verstanden-Werdens erzeugt eine schmerzhafte Isolation, die sich schließlich in Form von Wut und aggressivem Verhalten entlädt.
Eine weitere zentrale Ursache für ihr Verhalten ist die enorme Langeweile, die sie im schulischen Alltag erfahren. Hochbegabte Kinder dieser Gruppe erleben den Unterricht oft als quälend monoton, da die Aufgabenstellungen ihre intellektuellen Fähigkeiten nicht im Geringsten herausfordern. Während ihre Mitschüler:innen mit den Anforderungen kämpfen, haben sie die Lösungen längst gefunden oder die Aufgaben als bedeutungslos erkannt. Diese dauerhafte Unterforderung wird für sie zu einer unendlichen Qual. Die Langeweile wird unerträglich und schlägt in Gereiztheit, Widerstand und schließlich Aggression um. Für diese Kinder ist die Schule nicht nur ein Ort der Frustration, sondern auch der Ohnmacht, da sie keine Möglichkeit sehen, die Situation zu verändern oder Gehör für ihre Bedürfnisse zu finden.
Ihre Aggression richtet sich oft gegen die Menschen, die sie als Verursacher ihrer Not wahrnehmen: Lehrkräfte, die sie maßregeln und sanktionieren, Mitschüler:innen, die sie nicht verstehen oder ausgrenzen, und manchmal sogar gegen ihre Eltern, die sie in ihrer Wahrnehmung ebenfalls nicht entsprechend unterstützen oder als Ventil zum Abbau ihrer Gereiztheit fungieren. Das Verhalten ist dabei nicht nur ein Zeichen von Protest, sondern auch ein verzweifelter Versuch, Aufmerksamkeit auf ihre inneren Konflikte zu lenken. Sie greifen zu aggressiven Mitteln, weil ihnen keine anderen Möglichkeiten bleiben, um sich verständlich und bemerkbar zu machen.
Leider verschärfen die Reaktionen des Umfelds das Problem zusätzlich. Lehrkräfte sehen in ihrem Verhalten oft nur eine Disziplinlosigkeit und sozial-emotionale Unreife und greifen zu aus Nichtwissen und Hilflosigkeit zu nicht passenden Maßnahmen. Eltern, die mit dem aggressiven Verhalten überfordert sind, neigen im Verlauf oft dazu den Aussagen ihrer Kinder nicht zu glauben und greifen ebenfalls gerne zu disziplinarischen Maßnahmen. Mitschüler:innen meiden sie oder reagieren ebenfalls mit Ablehnung. Diese Dynamik verstärkt natürlich bei den Kindern und Jugendlichen das Gefühl der Isolation und das Empfinden, nicht verstanden zu werden. Statt Unterstützung zu erfahren, geraten die Kinder in einen Teufelskreis aus Frustration, Aggression und sozialer Ausgrenzung.
Das aggressive Verhalten dieser Kinder blockiert jede Form der Förderung. Ihre Verhaltensweisen dominieren den schulischen und familiären Alltag so stark, dass niemand ihr verborgenes Potenzial erkennt oder fördern kann. Diagnosen wie Hochbegabung bleiben aus, weil die Aufmerksamkeit ausschließlich auf die Symptome gerichtet ist. Diese Kinder werden als „Problemfälle“ abgestempelt, wodurch ihre Not und ihre Bedürfnisse weiter ignoriert werden. Die Folge ist eine Abwärtsspirale, in der die Frustration zunimmt, das Verhalten eskaliert und sich die Chancen auf eine angemessene Unterstützung weiter verringern. Langfristig hat diese Situation oft dramatische Konsequenzen. Viele dieser Kinder bleiben sitzen, müssen die Schulform wechseln oder werden sogar von der Schule verwiesen. Anderseits verweigern viele dieser Kinder und Jugendlichen den Schulbesuch, werden zu Schulverweigern oder erreichen nur minimale Abschlüsse, die weit unter ihrem Potenzial liegen, oder brechen die Schule ganz ab. Ihre Beziehungen zu anderen Menschen bleiben belastet, und sie entwickeln häufig ernsthafte emotionale oder psychische Probleme wie Depressionen, Angststörungen oder aggressiv geprägte Persönlichkeitsmuster. In extremen Fällen greifen sie zu selbstschädigendem Verhalten oder Suchtmitteln, um mit ihrer inneren Not umzugehen. Ihr weiterer Lebensweg ist höchstgradig anfällig für diverseste Abbrüche, Aufenthalte in psychiatrischen Einrichtungen oder das Leben mit Drogen. Die Dunkelziffer ist vermutlich hoch, denn Drogen bieten einen Weg dem unerträglichen Leben zu entkommen.
Lehrkräfte, Eltern und Fachkräfte sollten unbedingt für die Ursachen dieses Verhaltens sensibilisiert werden, um diesen Kindern mit Empathie, Verständnis als auch die passende Ansprache auf einem entsprechenden kognitiven Niveau. Sie benötigen richtige Aufgaben, die ihren Geist richtig herausforderen. Kognitive und sozio-emotionale Förderung müssen bei diesen Kindern Hand in Hand gehen - leider wird in den meisten Fällen die kognitive Förderung als sekundär befunden, wodurch es zu keinem entsprechenden Durchburch der negativen Agressivitätsabwärtsspirale kommt.
Und dann gibt noch eine 5. Gruppe. Es sind jene Kinder und Jugendlichen, die vor allem hochbegabt und hochkreativ sind, denn ihre Antworten sprengen Denkerwartungshorizonte!
Sie sind
• Ideensprudler:innen
• Lösungserfinder:innen
• Sie denken vollkommen out of the box und
• treten vor allem in Gruppe 3 und 4 auf.
Intelligenz erkennt Strukturen und wendet Regeln an - Kreativität überwindet sie!
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